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Dreihundertfünfundsechzig

Flugzeug

…Tage geballte Erfahrung

Es ist amtlich: Seit einem Jahr bin ich in meiner eigenen Mission unterwegs. Und nun stellt sich die Frage: Würde ich es wieder tun?

Bevor ich diese Frage jedoch beantworte, möchte ich das Jahr kurz Revue passieren lassen, mich zurück erinnern, was so alles geschehen ist…

Leere oder Freiheit?

Vor genau einem Jahr war mein Innenleben ziemlich aufgewühlt und gleichzeitig sehr leer. Was tun, wenn man über ein Jahrzehnt jeden Tag, jede Woche, jeden Monat ins Büro gefahren ist und über acht Stunden pro Tag brav seine Pflichten erledigt hat? Was tun wenn man diesen Alltag kennt und eigentlich im Schlaf abarbeiten könnte, aber diese Verpflichtung nun plötzlich nicht mehr da ist? Zugegeben es war nicht wirklich der von Pauken begleitete Befreiungsschlag, den man vielleicht vermutet. Es war wirklich erst einmal nichts. Und dieses Nichts zuzulassen ist gar nicht so einfach.

Ich hatte also viel Ziel meine Wunden zu lecken und mir Gedanken zu machen, was in den vergangenen Jahren in meinem Leben passierte, wie ich das finde und ganz besonders, ob es so weitergehen sollte. Glaubst du mir wenn ich sage, dass ich nicht immer sofort eine Antwort parat hatte? Im Nachhinein kann ich sagen, es war DER Selbstfindungsprozess schlechthin – Persönlichkeitsentwicklung par excellence. Daher würde ich zu diesem Zeitpunkt die Frage nach Leere oder Freiheit wie folgt beantworten: Frei sein bringt immer auch Leere mit sich. Und die Erkenntnis, dass die Leere auch etwas Wundervolles ist, kommt vermutlich erst viel später.

Denn diese Leere war am Anfang tonnenschwer. Was daran schwer war? Ich sag es dir: Realität, Ungewissheit, Entscheidung, Verantwortung. All diese Herausforderungen, vor denen man im Berufsalltag gerne abgeschirmt wird, trafen mich mit voller Wucht und hafteten an mir wie Powermagnete. Ja und es wurde mir irgendwann klar: Um meine Freiheit erreichen zu können, werde ich sehr hoch fliegen müssen. Doof nur, dass ich an diesem Punkt noch nicht einmal die Startbahn verlassen hatte.

Hoch in die Lüfte?

Ich wusste ja noch nicht einmal, wohin es genau gehen soll. Ich war mir unsicher: Welche Art von Arbeit möchte ich zukünftig machen? Möchte ich weiterhin als Angestellte arbeiten? (Allein der Gedanke daran trieb mir den Schweiß auf die Stirn!) Möchte ich wirklich den Schritt wagen und in die Selbständigkeit gehen? (Dieser Gedanke wiederum drehte mir den Magen um!) Was soll es werden? Dieses … zweischneidige Schwert, das sich Freiheit nennt. Ich kann tun und lassen was ich möchte und gleichzeitig bin ich mit dieser Möglichkeit absolut überfordert. Aber es half nichts. Irgendwann musste das Ziel festgelegt werden, um abheben und die Reise endlich beginnen zu können.

Nach den ersten Monaten voller Unsicherheit, Überforderung, Tränen, Ängsten und Orientierungslosigkeit, tauchten erste Fetzen von Klarheit auf. Die Route zeichnete sich mehr und mehr ab. Meine Vision zeigte sich. Meine Mission manifestierte sich. Meine Ziele bekamen einen Namen. Und das alles nicht einfach so, sondern ich wurde aktiv. Ich begann meinen Weg selbst zu zeichnen, meine Koordinaten selbst festzulegen und ich übernahm das Steuer. Es war die Entscheidung, selbst die Verantwortung zu übernehmen, die mir den notwendigen Drive gab und mich motivierte. Mein Flugzeug nahm immer mehr an Geschwindigkeit auf.

Was zunächst das Ziel war? Na abzuheben, zu fliegen!

Turbulenzen?

Ich gab also Gas, nachdem ich wusste, dass ich selbständig sein und freiberuflich arbeiten möchte. Ich gab alles, um den Vogel in die Lüfte zu bekommen. Zugegeben, der Start war etwas wacklig, aber ich ließ das Steuer nicht los. „Ich werde es schaffen“, war ich immer der vollen Überzeugung. Und dieser Glaube daran – an mich und an meine Mission – gab mir die notwendige Power, um abzuheben. Ich flog. Das Flugzeug war in der Luft. Ich war auf dem Weg.

Okay, so weit so gut. Was nun? Was tut man denn, wenn erst einmal alles auf den Weg gebracht wurde? Es folgte erneut die Phase der Leere, in der es schwer war, den Fokus zu halten und auf Kurs zu bleiben. Da kam es vor, dass die Aufmerksamkeit schwand, die Konzentration nachließ. Diese Phasen waren sehr holprig und weder für die Passagiere, noch für mich als Pilotin angenehm. Es kostete letztendlich sehr viel Kraft, sich immer wieder wachzurütteln und sich erneut zu fokussieren. Sich immer wieder aufs Ziel zu konzentrieren, erforderte höchste Motivationsbereitschaft.

Andere Male hatte ich mit den äußeren Umständen zu kämpfen. Dichte Wolkenfelder, starke Winde und Gewitter machten es oft schwer, einen ruhigen Kurs zu halten. Es gab einige starke Schwankungen, durch die ich hindurch manövrieren musste. Da hatte ich leider keine Wahl. (Ich frage mich heute ab und zu, wie … mir das gelang. 😀 )

Insgesamt war diese Phase geprägt von vielen Turbulenzen, inneren wie äußeren. Es war eine große Herausforderung, weiterzufliegen und nicht beim nächstbesten Flughafen zu landen, um allen Beteiligten diese Schwierigkeiten zu ersparen. Es war diese Gewissheit – eine Art innere Ruhe in mir – die mich antrieb und mir zu verstehen gab, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben. Und ich muss ehrlich sagen, auch wenn ständig alles unsicher war, so war es doch immer auch ein Abenteuer. Ich wusste oft nicht, was im nächsten Moment passiert und wie ich bestimmte Aufgaben meistern kann. Aber auf irgendeine Art und Weise gelang es mir immer wieder. Es ging immer weiter. Und je häufiger ich diese Situationen erlebte, desto größer wurde mein Vertrauen in mich selbst und in mein Ziel.

Heute weiß ich gut: Diese Turbulenzen sind notwendig und mussten von mir durchflogen werden. Dadurch ist mir bewusst, wie es sich anfühlt und ich habe die Erfahrung in meinem Gepäck, die es mir möglich macht, bei all den kommenden Turbulenzen zu agieren.

Flughöhe erreicht und was nun?

Start gelungen. Turbulenzen durchflogen – Somit hatte ich bereits einiges geschafft und mittlerweile auch eine gute Strecke hinter mich gebracht. Der Flug verlief inzwischen ganz gut, mehr oder weniger ruhig. (Wenn das in dieser Phase überhaupt möglich ist) Ich hatte dadurch etwas mehr Zeit und Gelegenheit mir auszumalen, wie es an meinem Ziel wohl sein wird. Wie sieht es dort aus? Was wird mich erwarten? Gibt es dort Menschen, die mich freudig empfangen? Gibt es Passagiere die mich verfluchen, weil wir eventuell verspätet ankommen? Viele Fragen taten sich auf und ich war gedanklich viel beschäftigt. (Was auch immer mal wieder zur Unaufmerksamkeit führte, siehe oben!)

Gleichzeitig war ich in der Lage, dadurch dass wir die Flughöhe erreicht hatten und damit die Rahmenbedingungen geschaffen waren, mich zu kümmern. Zum einen um mich selbst. Ich konnte auch mal kurzzeitig auf Autopilot schalten um mich zu versorgen. Ich konnte auch einfach mal die Aussicht genießen.

Zum anderen konnte ich wahrnehmen, was die Reisegäste denn so zu sagen hatten. Ich konnte mir Resonanz holen und Eindrücke von anderen wirken lassen. Ich hatte die Möglichkeit mich auszutauschen und zu kommunizieren. Es fiel mir anfangs nicht leicht und es kostete mich auch einige Überwindung dies zu tun. Denn auch hier wusste ich nicht, was mich erwarten wird. Welches Bild hatten die Passagiere von mir? Hatten sie sich mich vielleicht ganz anders vorgestellt? Es kostete mich wirklich Überwindung die Tür zu öffnen und in den Passagierraum hinauszugehen. Aber ich wusste, es gehört zum guten Ton, sich zu zeigen. Und noch viel mehr war mir klar: Wenn ich das Vertrauen der Menschen gewinnen möchte, wenn ich möchte, dass sie mir folgen, dann werde ich mich zeigen müssen.

Ich trat schließlich aus dem Cockpit hinaus und zeigte mich…

Landeanflug?

Man kennt mich nun und man nimmt mich wahr. Es ist mir geglückt. Auch das war im Nachhinein gesehen weniger schlimm als vermutet. Ich hielt auch dieser Herausforderung stand. Erneut hatte ich die Erkenntnis: Es lässt sich alles schaffen.

Ein andere Erkenntnis war, auf jede leichtere Phase, folgt eine weniger leichte Phase. Ich musste zurück ans Steuer. Denn irgendwann wird der Sprit ausgehen. Je nachdem wie weite die Reise gehen soll, muss schlichtweg nachgetankt werden. Es wird die erste Zwischenlandung anstehen. Was soviel bedeutet wie: Erneut Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen, Ärmel hochkrempeln, anpacken.

An diesem Punkt wurde unmissverständlich klar: Solange ich das Steuer in der Hand halten möchte, solange wird sich dieser Kreislauf wiederholen. Ich werde keine andere Wahl haben.

Gleichzeitig hatte ich die Klarheit, dass genau dieses Wechselbad der Gefühle, das Steigen und Fallen, jede Hoch- und Tiefphase, es mir wert ist, wenn ich dadurch selbst die Route festlegen kann, wenn ich bestimmen kann, wohin die Reise geht und wo ich landen möchte.

Ich ging also zurück ins Cockpit, begab mich in Position und zog den Sicherheitsgurt fest. Hände zurück ans Steuer!

Dreihundertfünfundsechzig Tage später sitze ich im Cockpit meines Flugzeuges und steuere in Richtung meines Ziels. Ich sitze ruhig, aber bin angespannt. Denn ich weiß, die nächste Herausforderung wird kommen. Seien es Turbolenzen, unzufriedene Gäste, die Zwischenlandung zum Auftanken… Es wird definitiv irgendwann wieder so weit sein. Nichtsdestotrotz trage ich die Zuversicht und die Überzeugung in mir, dass ich auch diese Aufgaben meistern werde.

Im Zweifelsfall gibt mir hierzu Laotse den passenden Rat: „Erreiche den Gipfel der Leere, bewahre die Fülle der Ruhe, und alle Dinge werden gedeihen.“ Damit sei auch die Eingangsfrage absolut treffend beantwortet.

Nun aber zur Frage aller Fragen:

Würde ich all das – mit dem Wissen von heute – wieder tun?

Würde ich mich genau so wieder entscheiden? Für diesen wirklich hohen Grad der Verantwortung? Mit allen Sonnen- und Schattenseiten?

Ja! Ja, ja, ja! Ich würde es wieder tun. Ohne mit der Wimper zu zucken. Alle Höhen sind es wert, sich auf die Tiefen einzulassen und für seinen Traum zu kämpfen. Denn eines weiß ich heute besser denn je: Das Leben wird uns immer wieder vor Herausforderungen stellen, vor Aufgaben, die es zu lösen gilt. Die Frage ist nur:

Wem dient die Lösung?

Also entscheide ich mich doch für die Lösung, die in mein Leben passt und meinen Prinzipien entspricht. Ich entscheide mich dafür, abzuheben und selbst das Steuer zu übernehmen, denn: I am the captain!

An dich, wenn du haderst, denkst, grübelst, unentschlossen bist: Go for your dreams!

An dich, wenn du auch in deiner Mission unterwegs bist: Never give up!

Von ganzem Herzen
deine Anja Buntz

Foto by Ross Parmly on Unsplash